Was ist eine EPP (erythropoetische Protoporphyrie) aus medizinischer Sicht:
Die EPP ist eine sehr seltene genetische Stoffwechselerkrankung aus dem Formenkreis der Porphyrien, bei der die Betroffenen auf das sichtbare Licht mit sehr starken Schmerzen reagieren.
Sie wird durch ein defektes Enzym (Ferrochelatase), das für den Aufbau des Hämoglobins (roter Blutfarbstoff) benötigt wird, verursacht. Die Ferrochelatase ist das letzte Enzym in der Häm-Biosynthese und ist dafür zuständig, das Eisen in die dafür vorgesehenen Porphyrinringe einzubauen.
Dieser Defekt führt zu einer Anreicherung von Protoporphyrin im gesamten Körper, vor allem aber in den Erythrozyten, im Knochenmark und in der Leber.
Das Protoporphyrin wird über das Blut durch den Körper transportiert und reagiert mit Licht (vor allem mit dem blauen Anteil des sichtbaren Lichtes, ca. zw. 380-410 nm) mit Bildung von Radikalen, die starke brennende Schmerzen an den betroffenen Stellen verursachen und manchmal auch zu Schwellungen, Rötungen und punktförmigen Einblutungen in der Haut führen können.
Durch diesen biochemischen Vorgang wird eine entzündliche Reaktion ausgelöst, die auch irgendwann auf die in der Haut liegenden Nervenendigungen trifft und zu länger anhaltenden neuropathischen Schmerzen führt (teilweise Tage bis Wochen).
In sehr seltenen Fällen treten auch Schmerzreaktionen bei „Indoor“ Beleuchtung auf.
XL-Protoporphyrie (X-linked-Protoporphyrie) :
Neben der EPP wurde in den letzten Jahren eine seltene Variante der Protoporphyrien nachgewiesen, die XL-Protoporphyrie genannt wird und ein sehr ähnliches Beschwerdebild wie die EPP aufweist.
Diese Protoporphyrie wird im Unterschied zur EPP durch einen, auf dem X-Chromosom liegenden Gendefekt, vererbt und basiert auf einer erhöhten Aktivität der erythrozytenspezifischen Delta–Aminolaevulinsäure-Synthase. Im Gegensatz zur EPP steht der Defekt am Anfang der Häm-Biosynthese und bewirkt eine erhöhte Aktivität des Enzymes, sodass bei dieser Protoporphyrie und einer damit einhergehenden Eisenmangelanämie nach Rücksprache mit dem behandelnden Porphyrie-Spezialisten eine Eisensubstitution sinnvoll sein kann.
Epidemiologie:
Die EPP wurde 1961 erstmals beschrieben und kommt weltweit vor. Das Auftreten ist geschlechtsunabhängig.
Zum jetzigen Zeitpunkt ist die EPP die häufigste Porphyrie bei Kindern und die dritthäufigste Porphyrie unter Erwachsenen (nach der Porphyrie cutanea tarda und der akuten intermittierenden Porphyrie).
Die Häufigkeit der Erkrankung in der Gesamtbevölkerung schwankt von Land zu Land und liegt in einem Bereich von ca 1:75 000 in den Niederlanden und 1:200 000 in Wales.
VERERBUNG
EPP:
Lange herrschte Unsicherheit bezüglich der Vererbung der EPP und man findet in der Literatur immer wieder unterschiedliche Meinungen. In den letzten Jahren setzte sich aber die Theorie einer autosomal rezessiven Vererbung durch.
Die genetische Information für die Ferrochelatase befindet sich auf dem langen Arm des Chromosoms 18.
Zur Ausbildung einer EPP benötigt man einerseits eine schwere Mutation in diesem Bereich (von einem Elternteil) und eine schwache Mutation (vom anderen Elternteil) auf dem anderen Allel. Diese schwache Mutation alleine hat keine pathologische Auswirkung und ist z.B. im Kaukasus bei bis zu 10% der Bevölkerung nachweisbar.
Aufgrund dieses rezessiven Erbvorganges werden häufig Generationen übersprungen.
XLPP:
Im Unterschied zur EPP wird die X-linked-Protoporphyrie, wie der Name schon sagt, X-chromosomal dominant vererbt. Sie wurde entdeckt, weil bei manchen EPP-Patienten bei der genetischen Untersuchung der Defekt für die Ferrochelatase auf Chromosom 18 fehlte. Stattdessen fand sich ein Defekt im X–Chromosom, sodass sich meist eine Vererbung von einer Generation auf die nächste beobachten ließ. (Da die EPP und die XLPP sich in vielen Eigenschaften ähneln, wird in weiterer Folge nur von der EPP gesprochen. Sollten Unterschiede zwischen EPP und XLPP bestehen, wird im Text darauf eingegangen)
DIAGNOSTIK
Viele Patienten mit einer EPP oder XLPP benötigen lange Zeit bis bei ihnen die richtige Diagnose gestellt wird, da sie häufig keine sichtbaren Symptome aufweisen.
Bis zum Aufkommen des Internets konnte es passieren, dass Patienten erst nach Jahren bis
Jahrzehnten die richtige Diagnose bekamen.
Die Diagnostik der EPP und der XLPP erfolgt über eine Blutabnahme. Initial wird das totale Erythrozytenprotoporphyrin gemessen. Wenn dieses erhöht ist, dann sollte eine Unterscheidung in metallfreies Protoporphyrin und Zink-Protoporphyrin erfolgen. Wenn hauptsächlich Zinkprotoporphyrin vorliegt, sind eine EPP und XLPP eher unwahrscheinlich. Wenn hauptsächlich metallfreies Protoporphyrin erhöht ist, hängt es von der Höhe des Anteils des Zinkprotoporphyrin ab, ob eine EPP oder eine XLPP diagnostiziert wird (ca. 0-15% Zinkprotoporphyrin à EPP; ca. 15-50% Zinkprotoporphyrin à XLPP).
Je nach Ergebnis sollte die Diagnose noch durch eine genetische Testung gesichert werden.
SYMPTOME
Schmerzen:
Die meisten Patienten beschreiben schon nach wenigen Minuten Kontakt mit der Sonne ein „Kribbeln“ an den betroffenen Stellen, das sich in weiterer Folge zu einem unglaublich starken Brennen verstärkt: „ als würde man von innen verbrennen“.
Je nach Dauer der Sonnenexposition (meist nur wenige Minuten) halten die Beschwerden einige Tage oder sogar länger an.
Zusätzlich entwickelt sich in diesen Schüben im Rahmen der vorher erwähnten neuropathischen Schmerzen ein starkes Temperatur-Missempfinden, sodass z.B. die eigene Körperwärme als zu heiß empfunden wird. Jeglicher Körperkontakt wird z.B. wie die Berührung durch ein „heißes Eisen“ empfunden.
Besonders tragisch ist dies für Kinder mit EPP, die z.B. nicht durch eine Umarmung der Eltern getröstet werden können, da diese Geste durch den engen Körperkontakt beim Kind starke Schmerzen auslöst. Auch nur die Wärme der Bettdecke ist oft nicht zu ertragen.
Die sichtbaren Auswirkungen der EPP variieren allerdings sehr von Patient zu Patient.
Bei manchen sieht man bis auf eine leichte Schwellung oder Rötung gar nichts. Andere wiederum haben schon nach einiger Zeit Schwellungen, Rötungen und Brandblasen. Wichtig zu verstehen ist allerdings, dass die Schmerzen unabhängig von den sichtbaren Auswirkungen auftreten.
Die meisten EPP Patienten berichten auch über eine starke Müdigkeit, sobald die Sonne auftritt und über ein Krankheitsgefühl „als würde man eine Grippe bekommen“.
Priming – Effekt:
Eine Besonderheit der EPP ist, dass das einmalige Auslösen der Symptome durch Licht die Sensibilität gegenüber Licht und anderen Schmerz auslösenden Reizen um ein Vielfaches erhöht. Dieser „Priming“ oder „Bahnung“ genannte Effekt kann tagelang anhalten und erfordert einen erhöhten Schutz. Lichtintensitäten die sonst toleriert werden können dann unerträglich sein.
Leberbeteiligung:
In einigen Fällen kommt es frühzeitig zu Gallensteinen und der Notwendigkeit einer operativen Entfernung der Gallenblase schon in jungen Jahren.
In seltenen Fällen (weniger als 5%) führt die EPP zu einer Beeinträchtigung der Leberfunktion bis hin zur Leberzirrhose. Der Grund dafür ist die Anhäufung von Protoporphyrin in der Leber.
Die Hepatitisimpfung sollte jeder EPP und XLPP Patient durchführen lassen und gegebenenfalls wiederauffrischen.
Prinzipiell sollten EPP und XLPP Patienten Alkohol meiden.
Vitamin D Mangel:
Aufgrund der Vermeidung von Sonnenlicht entsteht im Laufe der Jahre ein Vitamin-D-Mangel, sodass regelmäßig der Vitamin-D-Spiegel kontrolliert werden und je nach Resultat mit einer Vitamin–D-Substitution begonnen werden sollte.
Anämie:
Viele der EPP und XLPP Patienten entwickeln eine milde Eisenmangelanämie. Da bei der EPP das Eisen aber nicht ausreichend verwertet werden kann, ist meist von einer Eisensubstitution abzusehen bzw. sollte vorher immer mit den betreuenden Spezialisten gesprochen werden.
Bei der XLPP kann eine Eisenzufuhr in manchen Fällen sinnvoll sein, da hier ein anderer Enzymdefekt vorliegt. Auch hier sollte aber immer vorher Rücksprache mit den behandelnden Porphyrie-Spezialisten erfolgen.